Warum braucht eine Schule ein Leitbild?

Ein Leitbild klingt nach Papierkram. Ein gemeinsames Leitbild zu erstellen braucht Zeit und Ressourcen. Es ist ein anstrengender Aushandlungsprozess, für den es schwer ist Schulleitung, Kollegium, Schülerschaft und Mitarbeitende zu begeistern.

Ich finde, dass es sich für Schule lohnt, in diesen Prozesse zu investieren. Warum, das erkläre ich in diesem Blogbeitrag.

In den letzten beiden Workshops zum Leitbild habe ich mit Hilfe der Metapher einer Bergtour den Sinn des Leitbildprozesses erklärt: Stell dir vor, ihr startet mit der Schule eine mehrtägige Bergtour. Ohne Karte. Ohne Ziel. Ohne Route. Das kann klappen, aber vermutlich werdet ihr an jeder Kreuzung diskutieren, wo ihr nun lang gehen wollt, in welche Richtung ihr gehen wollt, wann ihr Pausen einlegen wollt etc. Einfacher ist es, wenn ihr euch vorher auf ein gemeinsames Ziel und eine gemeinsame Route einigt.

Genau deshalb braucht eine Schule ein Leitbild.

Ein Leitbild ist unser innerer Kompass.

Viele Schulen haben irgendwo ein Leitbild stehen, auf dem Papier, im Schulprogramm, auf der Homepage. Aber wie wirkt das Leitbild im Schulalltag? Wie wird es gelebt?

Ein gutes Leitbild gibt uns Orientierung. Es schafft Verbindung. Es hilft im Alltag, Entscheidungen zu treffen, die zum Ziel passen. Gerade in Zeiten, in denen wir nicht einfach „weiter so“ machen können.


Sechs Gründe für ein schulisches Leitbild

1. Es zeigt, wo wir wirklich hinwollen

Ein Leitbild bündelt unsere Energie. Es macht sichtbar, wohin wir gemeinsam als Schule wollen.

🧭 Beispiel: Im Leitbild steht: „Wir tun alles für gutes Lernen.“ Das ist eine starke Ansage. Denn es heißt: Alles, was wir tun, wird diesem Ziel untergeordnet.
Wir könnten uns dann z.B. fragen, ob der feste Stundenplan, die 90-Minuten-Struktur etc. zu dem passt, was wir unter “gutem Lernen” verstehen. Fördern diese Strukturen das vertiefte Denken und das selbstgesteuerte Arbeiten?

2. Es fordert eine gemeinsame Haltung

Ein echtes Leitbild sagt nicht nur, was wir tun, sondern auch, wie wir unterwegs sind auf unserer Tour. Haltung heißt: Wir übernehmen Verantwortung, nicht nur für den eigenen Unterricht, sondern für unsere gemeinsame Schule.

🧭 Beispiel: Im Leitbild steht: „Wir leben Partizipation.“
In vielen Schulen werden Schüler:innen selten in echte Entscheidungen einbezogen. Sie fehlen bei pädagogischen Tagen, bei der Entwicklung neuer Lernformate, bei der Frage, wie Prüfungen gestaltet werden.
Ein Leitbild bringt diese Haltung an die Oberfläche, es macht sichtbar, worauf wir uns als Schule verständigen. Es erinnert uns daran, woran wir uns messen lassen wollen.
Ohne ein gemeinsames Leitbild bleibt Partizipation oft eine Einzelinitiative engagierter Lehrkräfte. Mit einem Leitbild wird sie zum gemeinsamen Anspruch und zur Verpflichtung: Wenn wir sagen, dass wir Partizipation leben, dann müssen wir auch Räume dafür schaffen. In Konferenzen. Im Unterricht. In Entwicklungsvorhaben.
So wird aus Haltung gelebte Kultur.

3. Ein Ziel bringt nichts, wenn nicht alle mitgehen

Ein Leitbild wirkt nur, wenn wir es gemeinsam tragen. Es reicht nicht, wenn ein kleiner Kreis es entwickelt. Es braucht die Perspektiven und das Commitment der ganzen Schule. Denn nur dann wird es verbindlich.

🧭 Beispiel: In einer BBS wird kontrovers diskutiert, ob die Auszubildende im Unterricht ihr Smartphone nutzen dürfen. Die Meinungen im Kollegium gehen weit auseinander, von „komplett verbieten“ bis „komplett freigeben“.
Der Blick ins Leitbild hilft weiter: „Wir fördern digitale Souveränität und berufliche Handlungskompetenz.“ Das verändert die Diskussion. Statt über Kontrolle wird über Verantwortung gesprochen und darüber, wie wir Medienkompetenz fördern können.

Ein Leitbild schafft gemeinsame Orientierung, gerade dann, wenn es schwierig wird. Es hilft uns, aus Meinungen Haltungen zu formen und aus Einzelstimmen einen gemeinsamen Kurs.

4. Es verhindert Orientierungslosigkeit

Welches Angebot passt zu unserer Schule und zu unserem Leitbild?

🧭 Beispiel: Im Jahrgang 11 des Beruflichen Gymnasiums wird jährlich eine Skiexkursion angeboten. Statt automatisch die nächste Skiexkursion zu planen, stellt sich die Schulgemeinschaft die Frage: Welche Formen des Sporttreibens, Erkundens oder Zusammenarbeitens passen zu unserem Leitbild der Nachhaltigkeit?
Daraus können ganz neue Ideen entstehen, verbunden mit Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) und der Lebenswelt der Schüler:innen.

5. Es hilft beim Packen: Was nehmen wir mit?

Zeit, Energie, Räume, all das ist in Schule sehr knapp. Das Leitbild hilft uns, Prioritäten zu setzen.

🧭 Beispiel: Bei der Verteilung von Fortbildungsbudgets wird nicht nach dem Motto „wer am schnellsten ruft“ entschieden, sondern danach, was die Schulentwicklung tatsächlich voranbringt. Passt der Kurs zu unserem Weg und zu unserer Vision, die wir im Leitbild formuliert haben?

6. Es zeigt sich in Räumen und Beziehungen

Unsere Räume, unser Miteinander, unsere Rituale, all das ist Ausdruck dessen, was wir wirklich glauben.

🧭 Beispiel: Wenn das Leitbild Kooperation und Partizipation betont, dann wirkt das in offenen Lernlandschaften, einem echten Schüler:innenrat oder Infoabenden mit Dialogformaten.


Fazit:

Ein Leitbild ist kein Allheilmittel. Aber es ist ein starker Startpunkt. Es schenkt Richtung, Sinn und Zusammenhalt. Gerade in einer Zeit, in der Schule sich neu erfinden muss.


Schreibe einen Kommentar