Die Situation an Schulen und im Unterricht fühlt sich derzeit oft an wie ein großer Elefant im Raum: Schüler:innen nutzen Künstliche Intelligenz (KI) heimlich, um Aufgaben zu lösen, aber es wird kaum darüber gesprochen. Viele von ihnen sind verunsichert, wissen nicht, ob sie KI überhaupt nutzen dürfen, und manche Lehrkräfte drohen mit einer Note „6“, wenn sie den Verdacht haben, dass eine KI involviert war.
Das Ergebnis? Unsicherheit auf beiden Seiten und keine konstruktive Grundlage, um mit diesem Thema umzugehen. Die Nutzung von KI wird schnell mit Schummeln gleichgesetzt, ohne dass eine echte Diskussion darüber stattfindet, wie wir als Lehrkräfte und Schüler:innen gemeinsam Lösungen finden können. Ich finde diese Situation sehr unbefriedigend – und glaube, dass eine offensive Haltung der bessere Weg ist.
Warum wir offen über KI sprechen sollten
Für mich ist klar: Wir müssen mit unseren Schüler:innen offen über KI ins Gespräch kommen. Denn nur so können wir gemeinsam herausfinden, wo KI im Unterricht hilfreich sein kann – und wo sie vielleicht auch Grenzen hat. Statt die Nutzung von KI zu tabuisieren, sollten wir darüber reden, wie wir gut und verantwortungsvoll damit umgehen können.
Heute habe ich wieder einmal erlebt, wie viel Potenzial in einem offenen Gespräch steckt. Dafür nutze ich oft einen Reflexionsbogen als Einstieg. Die Schüler:innen füllen ihn zunächst alleine aus, aber schon kurze Zeit später entwickeln sich daraus spannende Gespräche über ihre Erfahrungen und Gewohnheiten im Umgang mit KI.
Ein Beispiel aus der heutigen Stunde: Eine Schülerin sagte, dass ChatGPT für sie wie eine „beste Freundin“ sei, mit der sie fast alles teilen könne. Daraus entstand ein angeregtes Gespräch über die Auswirkungen solcher Sprachmodelle auf unser Leben. Gleichzeitig berichteten andere Schüler:innen von ihren Erfahrungen in den Arztpraxen, in denen sie ihre Ausbildung machen. Dort wird KI bereits aktiv genutzt, z.B. als Telefonassistentin, was für sie ein klares Argument dafür war, dass KI auch Teil ihrer schulischen Ausbildung sein sollte.
Was Schüler:innen von uns erwarten
Immer wieder höre ich von meinen Schüler:innen, wie wichtig es ihnen ist, in der Schule zu lernen, wie sie KI sinnvoll nutzen können – und worauf sie dabei achten sollten. Diese Offenheit finde ich unglaublich wertvoll. Sie zeigt, dass unsere Schüler:innen nicht nur heimlich KI nutzen wollen, sondern ein echtes Interesse daran haben, zu verstehen, wie diese Technologie funktioniert und wie sie verantwortungsvoll eingesetzt werden kann.
Es liegt an uns, diesen Raum zu schaffen: einen Raum, in dem Schüler:innen offen über ihre Erfahrungen sprechen können, ohne Angst vor Konsequenzen haben zu müssen. Nur so können wir gemeinsam lernen, wie KI uns helfen kann – sei es im Unterricht oder im späteren Berufsleben.
Den Elefanten kleiner machen
Mein Fazit aus diesen Gesprächen ist klar: Wenn wir das Thema KI aktiv in unseren Klassen ansprechen, wird der große Elefant im Raum schnell ein bisschen kleiner. Statt heimlich unter dem Tisch Aufgaben mit einer KI zu lösen, können Schüler:innen lernen, wie sie KI bewusst und reflektiert einsetzen.
Für mich funktioniert dabei besonders gut, die Schüler:innen durch Reflexionsfragen in das Gespräch einzubinden. Ihre Meinungen und Erfahrungen sind oft so aufschlussreich, dass ich jedes Mal etwas dazulerne – über sie, über KI und darüber, wie wir das Lernen an unserer Schule gemeinsam gestalten können.
Lasst uns diesen Dialog führen. Denn die Welt, in der unsere Schüler:innen leben und arbeiten werden, ist eine Welt, in der KI eine große Rolle spielt. Und genau deshalb gehört dieses Thema auch in unsere Klassenzimmer.